Literatur und Sachbuch
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30. November 1985

Ich habe total verrückte Wochen hinter mir und musste mit dem Einsatz aller meiner Kräfte arbeiten. So etwas habe ich noch kaum jemals erlebt. Ich muss kämpfen mit vollem Einsatz: für mehr Menschlichkeit, für mehr Toleranz, für das Auffinden des Guten in den Menschen, die mir täglich begegnen. Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll. Es ist so viel geschehen. Manchmal war ich am Rande der Erschöpfung. Aber es sind wahre Wunder geschehen durch diesen Einsatz.
Ich hatte mich sehr bemüht, die Wohnung im Pfarrhaus in Oberleuken für meine Sri Lankische Familie zu bekommen. Anfangs sah es sehr schlecht aus. Der Bürgermeister wollte einfach nicht. Die Gemeinde sei nur verpflichtet, den Flüchtlingen ein »Obdach« zu gewähren. Inzwischen ist es mir aber doch gelungen.

Letzte Woche haben wir, mit Hilfe der Gemeindeverwaltung, den Umzug in die neue Wohnung geschafft. Ich hatte von der alten Lehrerin, Frau Henning, die ganze Wohnungseinrichtung geschenkt bekommen. Das war gut. So konnte der ganze alte Plunder in dem alten Haus zurückbleiben. Die Frauengemeinschaft von Oberleuken hatte ich gebeten, die Gardinen zu besorgen und aufzuhängen, was diese gern getan haben. Da zahlt sich aus, dass ich alle Jahre gute Kontakte mit den Frauen aus allen Dörfern unserer Gemeinde gepflegt hatte und noch habe. Am Ende des Umzugstages hatten wir eine wunderschöne, gemütliche, warme Wohnung für die Familie. Wassandi, die ja im 8. Monat schwanger ist, konnten wir weitgehend schonen. Großer Dank gilt allen Frauen, besonders aber Gisela Walbach aus Kesslingen, die mir geholfen haben!

Als wir zum Schluss alle zusammen im Wohnzimmer saßen und Tee tranken, geschah etwas sehr Schönes. Zum ersten Mal zog sich der kleine, behinderte Mahinden an den Stäben seines Laufställchens hoch und stellte sich vorsichtig auf seine Beinchen. Wir haben geweint vor Freude, denn viele Kinder mit einer solch schweren Behinderung lernen nie stehen oder laufen. Inzwischen konnte ich bei meinem letzten Besuch vor einigen Tagen feststellen, dass er schon rund um das Ställchen herum läuft. Wassandi empfing mich mit selbstgebackenem Kuchen und strahlte vor Freude. Es ist ein Wunder geschehen mit der ganzen Familie. Morgen feiern wir gemeinsam Advent. Die Tamilen sind katholisch.

Einen Tag nach dem Umzug der Tamilen, früh um 9 Uhr, erhielt ich einen Anruf von der Gemeindeverwaltung. Ich möge schnell ins Rathaus kommen. Aus dem Lager in Lebach sei eine Familie aus Kurdistan geschickt worden, mit der es große Probleme gebe.
Die Familie war schon am Abend zuvor angekommen, und man hatte sie wieder in eine vollkommen »rohe« Wohnung gebracht. Nichts war gerichtet, die Böden waren verschmutzt, es war feucht und kalt; ein trostloser Zustand. Hinzu kam noch, dass man den Kurden im Lager gesagt hatte, sie kämen in die Nähe der Kreisstadt Merzig, wo noch andere Kurden wohnen.

Die Familie: Vater, Mutter und drei Kinder von 1, 3 und 5 Jahren, hatten die Nacht auf dem Boden der Küche kampiert und saßen nun im Flur des Rathauses. Niemand vermochte sie zu bewegen, in die Wohnung nach Sehndorf zurückzugehen. Sie saßen dort auf dem Boden und weinten alle miteinander.
Als ich hereinkam und dieses Häufchen Elend sah, habe ich zuerst einmal die kleine, junge Mutter in die Arme genommen und sie festgehalten und mit ihr zusammen geweint. Alle standen um uns herum und wussten keinen Rat. Nach und nach ließen sie sich von mir beruhigen. Der Mann spricht etwas deutsch, und so brachten wir sie schließlich wieder nach Sehndorf in die Wohnung.

Ich habe dann mit einigen Frauen, die ich zu Hilfe gerufen hatte, den ganzen Tag gearbeitet, um die Wohnung in einen einigermaßen wohnlichen Zustand zu bringen. Das Sozialamt half uns finanziell dabei. Die junge Kurdin stand jedoch unter einem regelrechten Schock. Ich nahm sie immer wieder in die Arme und streichelte sie wie ein Kind. Wir waren sehr froh, als sich gegen Abend der Schockzustand löste, und sie zum ersten Mal lächelte. Inzwischen sind sie jetzt eine Woche hier. Die Nachbarn kümmern sich und besuchen sie, und ich schaue immer wieder nach ihnen.

 

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